Meine Tierpension wurde von unterschiedlichen Menschen besucht, denn Hunde und Katzen lebten in vielen Haushalten. Es fanden sich somit alle Klassen: Von der High Society bis hin zur tiefsten Unterwelt. Vom hoch dekorierten General über Angestellte und Arbeiter bis zu den selbständigen Unternehmern. Demnach betreuten wir Tiere von den oberen, mittleren, unteren, höheren und prominenten Gesellschaftsschichten. Es war mir wichtig, dass wir für alle offen waren und es sich jeder finanziell leisten konnte, uns den jeweiligen Liebling anzuvertrauen.
Da ein Gewerbe der Tierpension nur in einem Gewerbegebiet oder auf einer entsprechend gewidmeten Sonderfläche ausgeübt werden durfte, musste ich leider festhalten, dass das Umfeld meines 3.500 m2 großen Geländes nicht berauschend aussah. Bog man in unsere Straße ein, fuhr man erst an Unordnung vorbei. Desolates Plastikzelt gepackt mit Unrat, unordentliche Außenlagerung bei anderen Firmen, hohe Türme von rostigen Lagercontainern gepaart mit extremer Unkrautwucherung. Es gab hübsche Gewerbegebiete und weniger gut aussehende. Unsere Zufahrtsstraße sah tatsächlich überhaupt nicht gut aus.
Wir konnten hier nichts ändern, da wir nicht Eigentümer dieser Grundstücke waren. Seitens der Stadtgemeinde war unsere Straße wohl das „ungeliebte Kind“. Wir mussten jährlich mehrmals drum bitten, dass in die Straße wuchernde Bäume und Sträucher geschnitten werden. Erst, wenn es wegen dem Straßenverkehr zu gefährlich wurde, wurde auch bei uns grob gepflegt. Es war mühsam, sich immer und immer wieder als Bittsteller beim Amt zu melden. Nächtliche Straßenbeleuchtung gab es keine und gibt es dort bis heute nicht. Der Stadtgemeinde dürften wir egal gewesen zu sein.
Ich wollte meine Kunden begeistern
Mit diesem Hintergrund war es umso wichtiger, dass Kunden ein positives Erlebnis hatten, wenn sie unser Anwesen betraten. Insbesondere mein Ehemann gab sich redlich Mühe, dass alles immer TOP aussah. Es wurde in den Sommermonaten wöchentlich Rasen gemäht, die Thujen in Form geschnitten, der Teich samt Springbrunnen entlaubt, man fand fast nie auch nur ein Blatt auf unserer großen asphaltierten Einfahrt und sehr vieles mehr. Im Innenbereich war die Vorgabe, dass man nach einer Reinigung „vom Boden essen könnte“. Hierbei ging es nicht nur um die Optik, sondern war es auch aus gesundheitlichen Gründen wichtig, dass bei Haltung von vielen Tieren, alles fast steril sauber gehalten wurde.
Am Rande sei erwähnt: Man hatte in einer Einrichtung, die viele Tiere betreute, niemals nur Befürworter. Amüsiert dachte ich oft an eine Diskussion in einem Internet-Forum, wo angekreidet wurde, dass alles zu sauber war. Es war zu unglaublich, dass es in einer Tierpension so aussehen konnte. Eine Diskussionspartnerin meinte deswegen böse: „Da ist es dermaßen sauber. Die müssen ja irgendwo Leichen im Keller haben.“ Wie sollte man solch eine Unterhaltung führen? Einer Kritik begegnen, die eigentlich ein großes Lob war?
Natürlich kam es auf die Uhrzeit des Besuchs an, wie der Grad der Sauberkeit war. Frühmorgens vor der Tagesreinigung oder kurz danach oder erst abends? Selbstverständlich fanden sich auch bei uns da und dort Tierhaare, zerfetzte Deckchen und andere Unordnung. Lebewesen treiben auch Quatsch. Sie sollten auch ihren Spaß haben. Es fand ja dann sowieso wieder am nächsten Tag die Grundreinigung statt.
Roten Teppich auslegen
Es spielte für mich keine Rolle, wer aus welcher Gesellschaft kommt – sondern wollte ich, dass es jedem gefällt. Etwa 30 Minuten vor Termin besah ich meist noch den Hof - lag da irgendwo noch ein Blatt? Ging weiter in den Eingangsbereich – war die Tür sauber? Liegt zufällig irgendwas innen herum, was da nicht hingehört? Alles OK – dann kann mein Termin (hoffentlich pünktlich) erscheinen. Ein „Das ist so OK“ - reichte mir nicht wirklich, sondern wollte ich das Gefühl haben, dass mein Besucher denkt: „WOW ! DAS IST PERFEKT!“
Allgemeinwissen und eigene Interessen
Jeder Mensch hatte private Vorlieben, beschäftigte sich deswegen auch gerne damit und sammelte in diesen Bereichen Wissen und Können. Private Vorlieben waren bei mir natürlich immer Hunde gewesen und hatte ich tatsächlich mein Hobby zum Beruf gemacht. Weiters interessierte ich mich für Kultur, Musik, Geschichte, das Weltgeschehen und Politik. Ich las und sang sehr gerne und spielte Flöte und Gitarre. Andere Freizeitaktivitäten betrieb ich weniger intensiv.
Da gab es aber auch Themen, die mich ganz und gar nicht interessierten. Das waren z.B. Automarken, Mode und – ganz schlimm - Fußball. Ich hatte in diesen Bereichen äußerst geringes Wissen und konnte z. B. beim Auto, welches in der Einfahrt stand, nur die Farbe und bestenfalls Form benennen. Mit einer Modetasche, einem Sportauto oder irgendwelchen Pokalen und Titeln konnte man mich überhaupt nicht beeindrucken. Titel wie „Dr., Prof., Ing., Mag. etc.“ spielten für mich keine Rolle. Wenn man wusste, dass jemand solche Vorzeichen vor seinem Namen trug, verwendete man diese natürlich höflich bei der Anrede – weil man ja auch nicht wusste wie die/der andere „tickt“. Die meisten Titelträger winkten ab und wollten nicht, dass wir den Titel dazusagen. Manche begrüßten einen sogar nur mit dem Vornamen.
Starallüren
In Zeiten von Internet recherchierte ich bei Neukunden und manchmal fanden sich spezielle Prominente. Noch vor der ersten Ankunft wusste man etwa, mit wem man es zu tun bekommt. Meine Aufgabe war, jeden Kunden zu begeistern und das Tierchen gut zu betreuen. Es spielte herzmäßig keine Rolle, welchen Rang in der Gesellschaft der Besitzer bekleidete.
Gerne erwähne ich die vielen tollen Promis, die in direktem Kontakt unfassbar nette Menschen waren. Mit denen konnte man locker sprechen und die Dinge offen beim Namen nennen. Menschen, die am Boden blieben und keine extremen Sonderwünsche hatten. Es wurde einem überhaupt nicht krumm genommen, wenn man schon beim Kennenlernen mitteilte, dass man keinerlei Ahnung von z. B. Fußball hat. Im Gegenteil, manche teilten mit, dass sie sich sogar freuten, keinem „Fan“ zu begegnen. Auffallend ist, dass insbesondere unter den Sportlern lauter sympathische Kunden waren.
Titelträger
Die Liste der Prominenten mit Sonderwünschen war – Gottlob – eine wesentlich kürzere. Schwierig gestaltete sich bei denen schon die Anrede, wenn z. B. Hr. Prof. DDr. Mag. XXX das Haus heimsuchte. Im Grunde würde bei der Anrede – lt. den aktuellen Benimmregeln - der höchste Titel plus Name reichen – in dem Fall: „Grüß Gott, Herr Professor XXX“. Besteht er aber auf Nennung aller Titel – DAS GIBT ES ! – heißt das: „Grüß Gott, Herr Professor Doktor Doktor Magister XXX“.
Dass diese Kunden einen charakterlich schwierigen, unerzogenen Hund hatten, war natürlich klar. Wie das Herrchen – so der Hund. Meistens betreuten wir Hunde von so gepolten Titelträgern, die weiter entfernt lebten. Wahrscheinlich auch, weil keine andere Tierpension betreuen wollte?
Künstler durch und durch
Wenn Herr YYY sich ankündigte, verschwanden alle aus dem genervten Team und wurde dieser musikalische Kunde zur „Chefsache“ erklärt. Nachdem wir sein Haustierchen öfters betreuten, wussten wir: Er hält sich sowieso an keine unserer betrieblichen Vorgaben. Erklärungen oder Diskussionen waren sinnlos. Schon bei schriftlicher Terminvereinbarung, die sich mehrmals änderte, machte ich mir am Kalender die Notiz „von – bis“. Ankunfts- sowohl Abholtermin waren Variable. Das mitzubringende Zubehör, wie Impfausweis oder Halsband, wurde sowieso vergessen. Man konnte sich sicher sein, dass Herr YYY Termine nicht einhält.
Wenn er denn erschien, plante man eine Aufenthaltsdauer von mindestens einer Stunde ein. Er fühlte sich in unserem Haus sichtlich wohl, war ein brillanter Tänzer, Sänger und Gitarrenspieler. Wir durften viele seiner Darbietungen live erleben … immer und immer wieder. Egal, ob das Telefon läutete oder wir wirklich keine Zeit hatten. Manchmal passierte es, dass er zufällig auf andere Kunden traf – dann wurde die Stuhlreihe erweitert und er hatte noch mehr Publikum. Nach geraumer Zeit gewöhnte ich mich an das Gehabe und legte schon im Vorfeld meine Gitarre bereit. Er würde sonst sowieso danach fragen.
Wir konnten – aber - mussten nie
Ich hatte, im Umgang mit Menschen, immer eine wirklich hohe Schmerzgrenze. Mister ZZZ trieb es aber doch zu bunt. Egal, was ich mir für Mühe gab, ich konnte diesen hochdotierten Primararzt einfach nicht begeistern. Nie mal ein Lächeln oder ein lobendes Wort. Keine Freude darüber, dass sein dominanter großer Rüde so gerne zu uns kommt – bei Ankunft regelrecht in unser Haus zieht und die Tierbetreuer freudig begrüßt. Kein Dank, wenn wir mal unaufgefordert besondere Fotos ausdruckten oder per Email sendeten. Meine freundlichen Worte trafen, auch nach seinem fünften Besuch, schriftlich und persönlich immer nur auf die gleichen Diskussionen. Sinnlose Preisverhandlungsversuche und Kritik an den Kosten. Als bei der letzten Abholung das dann wieder zum Thema gemacht wurde, reichte es mir endgültig und ich malte, mit kräftiger Feder, ein dickes „Minus“ auf das Karteiblatt = Wir betreuen von diesem Besitzer kein Haustier mehr.
Als Mister ZZZ erneut buchen wollte, sagte ich daher ab. Ich schrieb einen höflichen Zweizeiler, wo ich mitteilte, dass wir sein Haustier nicht mehr betreuen würden. Kurz darauf kam der Anruf, in dem er mich nach dem Warum fragte. Ich rief das Geschehende in Erinnerung. Er meinte verwundert, unsere Kosten wären ja in Ordnung und würde er akzeptieren, hätte ja auch immer alles bezahlt. Konnte er sich tatsächlich nicht an die vielen Schreiben und sein Benehmen erinnern? Ich teilte Mister ZZZ mit, dass es mir in dieser Form keine Freude machte. Ich bat ihm sich vorzustellen, wie es wäre, ich hätte lauter solche nörgelnden Kunden wie ihn. Sein Verhalten hatte mir weh getan und war ich auch nur ein Mensch mit Empfindungen. Was er nicht ahnte: Vielleicht wäre ich nach Sendung eines kleinen Blumenstraußes samt Entschuldigung eingeknickt? Der kam aber erwartungsgemäß nicht …. das hätte ja was gekostet.
Sonderwünsche
Trotz meiner Behauptung, eine gute Tierpension kann JEDEN Hund betreuen – stößt man manchmal auch an seine Grenzen. Wir waren zwar gut – aber JEDE/N Katze/Hund wollten wir nicht betreuen. Warum? Wenn die Wünsche des Besitzers komplett gegen mein Denken gingen, habe ich abgelehnt. Wenn ich ein Tier betreute, war das ab Übernahme gefühlsmäßig „mein“ Haustier. Natürlich gehörte es nicht mir – aber ich behandelte jedes Tier wie mein eigenes. Anders könnte man langfristig eine größere Anzahl von Tieren auch nicht betreuen. Einzelhaltung, bei gruppenfähigen Hunden, lehnte ich generell ab. Wenn die Haltung in der Gruppe durch massive Sonderwünsche unmöglich gemacht wurde, wollte ich das Tier nicht betreuen.
Ich hatte den kleinen Malteser von Frau AAA, samt Masche am Kopf, nicht betreut. Was erträumte sich Frau AAA ? Die kleine Hündin FIEPI bräuchte täglich 3 x Medikamente (das waren nur völlig unnötige, frei verkäufliche Placebos ohne tierärztliche Anordnung). Morgens pünktlich (!) um 07:30 Uhr bekäme FIEPI ein Viertel Buttersemmel mit Honig – die unbedingt knusprig sein muss. Um 10:00 Uhr gäbe es drei Esslöffel Cottage Cheese gemischt mit 5 Tropfen eines Aufbaumittels für das Fell. Mittags fräße FIEPI nur gebratene Leber, welche unbedingt direkt von einem Fleischer täglich frisch eingekauft werden sollte. Da könne man dann auch das eine Placebo zerbröselt untermengen. Nachmittags der Kau-Snack und abends dann nochmal eine ordentliche Mahlzeit, bestehend aus einer Hundedose gemischt mit frisch gekochten Nudeln. Über die übertriebenen Fellpflege-Wünsche oder täglichen Spaziergänge möchte ich gar nicht schreiben. Allein und einsam sollte FIEPI nicht gehalten werden, sondern mit einem einzigen weiteren Hund, der aber nicht mehr wiegen sollte als FIEPI. Das Hündchen sollte jeden Tag auf die Waage gestellt werden. Derzeit wog sie 5,26 Kilo. Der Besitzerin sollte um 11 Uhr das aktuelle Tagesgewicht schriftlich mitgeteilt werden – sie wäre etwas zu dünn und sollte nicht abnehmen.
Mir schwirrte der Kopf. Wenn etwas diskutierbar war, erklärte ich oft gerne die Sichtweise des Profis. Bei diesem Fall wusste man nicht, wo man anfangen sollte. Ich lehnte mich daher gemütlich zurück und teilte unseren üblichen Tagesablauf mit. Diesen hatte ich schon 100-te Male runtergerasselt. Dann stellte ich fest, dass wir einen nach Käse / Leber riechenden Hund schwerlich in einer Gruppe halten könnten und ihre vielen Wünsche zeitlich nicht möglich wären. Mir würde es widerstreben, dass ein Mittagsmenü eines Hundes mehr kostet als mein eigenes Essen. Kurzum: Wir würden FIEPI unter solchen Umständen nicht betreuen wollen. Auch, wenn das x-fache der Kosten bezahlt werden würde – so einen Job machte ich um keinen Preis der Welt. Ich gab ihr die Empfehlung, doch in ihrem privaten Umfeld jemanden (mit guten Nerven) zu suchen. Sie meinte, das hätte sie bereits, jedoch hätten ihre Bekannten alle abgesagt. Warum wohl ?
Unsere schwarze Liste
Es würde den Rahmen dieses Kapitels sprengen, würde ich alle Sonderfälle des letzten Vierteljahrhunderts beschreiben. Es gab sehr viele. Bei den meisten wurde eine Einigung erzielt, die unseren Vorstellungen entsprach. Unsere schwarze Liste ist deswegen extrem kurz und kann man locker noch an zwei Händen zählen. Nie war der Charakter des Hundes Schuld – sondern immer das Benehmen oder unerfüllbare Wünsche des Besitzers.
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