„Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige“. Dieses Sprichwort ging auf einen Ausspruch des französischen Königs Ludwig XVIII. im Jahre 1820 zurück. Leider gab es Menschen, die sich gar nicht wie Könige benahmen. Sie kamen zu spät und entschuldigten sich nicht dafür.
Unter meinen Kunden fand man auch eine große Gruppe von Überpünktlichen. Menschen, die viel zu früh erschienen. Das war zwar für meinen Arbeitsablauf ebenfalls aufwändiger, aber war mir trotzdem noch lieber, als Verspätungen. Wer zu früh kam, meinte oft liebenswert: "Ich kann gerne bis zum Termin warten."
Natürlich musste kein überpünktlicher Kunde sinnlos länger verweilen, sondern wurde das Tierchen von mir schon vorher übernommen oder übergeben. Bei den früher ankommenden oder abholenden Kunden hatte man oft das Gefühl, sie schätzten einen dermaßen, dass sie gerne länger bleiben würden. Ich möchte diese speziell organisierten Menschen auch nicht als unpünktlich, sondern lieber als überpünktlich beschreiben. Obwohl sie im Grunde nicht pünktlich waren, wenn sie bereits eine Stunde vor dem vereinbarten Termin vor dem Zufahrtstor läuteten, nahm man das ohne Murren hin. Überpünktlichkeit ist auch irgendwie eine Form von Unpünktlichkeit. Verspätungen nervten aber mehr.
Die liebenswerten überpünktlichen Zu-Früh-Kommenden möchte ich darum in dieser Erzählung außen vor lassen, demnach geht es hier um die unpünktlichen Zu-Spät-Kommenden. Vom Anfang bis zum Ende meiner Tätigkeit begleitete mich das leidige Thema der notorischen Unzuverlässigkeit mancher Kunden. Ich konnte es nur ansatzweise in den Griff bekommen. Nachdem ich nun in Pension bin, kann sich die nächste Generation weiter mit diesem Thema herumschlagen. Mal sehen, was denen an der "Korrektur von menschlichem Fehlverhalten" einfällt?
Manche Kunden waren Mal unpünktlich – riefen aber auf der Strecke an, um neuen Termin mitzuteilen. Das war für mich völlig in Ordnung und waren diese für mich nicht die wirklich ärgerlichen Unpünktlichen. Es gab aber auch die notorischen Zu-Spät-Kommenden. Man wartete und wartete und wartete. Auf Telefonanrufe reagierten sie nicht - sie schienen verschollen zu sein. Das nervte! Ich versuchte diese Menschengruppe umzupolen, in dem ich sie meist (zu ?) freundlich persönlich darauf ansprach. Viele Texte zu diesem Thema hatte ich in Social-Media oder auf unserer Homepage veröffentlicht. Das alles zeigte wenig Wirkung.
Mangelnde Wertschätzung oder Desinteresse?
Ich fühlte mich von unpünktlichen Menschen NICHT wertgeschätzt und ärgerte mich – manchmal nur einmalig bei dem betreffenden Kunden. Es schien, egal wie man es machte, keine Lösung des Problems zu geben. Es gab Tierbesitzer, die sich NICHT an Vereinbarungen hielten. Eine Viertelstunde auf oder ab, war für mich noch OK. Das heißt, wer seinen Termin um z.B. 10:00 Uhr hatte und zwischen 09:45 Uhr bis 10:15 Uhr erschien, lag in meiner Toleranzgrenze. Nach Gesprächen mit anderen Unternehmern aus meinem Bekanntenkreis, stellte ich fest, dass es denen, bei dem Thema Pünktlichkeit, auch nicht besser ging. Sie meinten: "Wir haben die Umerziehung längst aufgegeben."
Ein Schild wurde graviert und darauf wurden die regulären Zeiten des Parteienverkehrs - wortwörtlich - "in Stein gemeißelt". In jeder Korrespondenz, im Internet und bei Ankunft des Lieblings wies ich darauf hin. Kunden durften ihr Tier zwei Stunden vormittags und zwei Stunden nachmittags bringen oder abholen. Außerhalb diesen Zeiten nur gegen Aufpreis. JA, Mein Team war grundsätzlich 24 Stunden am Tag auf der Anlage. NEIN: Wir hatten NICHT rund-um-die-Uhr Parteienverkehr, sondern wurden Termine zum Bringen und Abholen der Haustierchen schriftlich vereinbart. Selbst auf dem Betreuungsvertrag stand nicht zu überlesen: "Bitte pünktlich oder anrufen".
Die "Karrierebibel" brachte es auf den Punkt: "Wiederholte Unpünktlichkeit ist kein Schicksal, sondern unverschämt, eine subtile Form von Arroganz. Denn eine Wiederholung lässt sich entweder gewollt vermeiden – oder ist eine Entscheidung." Die Aussage dahinter: "Anderes ist mir wichtiger. Und ich bin so wichtig, dass ich euch warten lassen kann. Ich muss mein Verhalten nicht euch anpassen, sondern umgekehrt."
Durften sich Menschen bei mir so benehmen?
War ich meinen Kunden nicht wichtig genug? Das ging so in keiner Weise - weder privat noch geschäftlich. Vielleicht lag es an meinem dominanten Charakter? Vielleicht auch daran, dass ich Hunde trainierte und schon deswegen konsequent und genau arbeiten musste. Vielleicht war ich in diesem Punkt auch empfindlicher als der durchschnittliche Mensch? Jedenfalls hatte ich immer Muße, dieses schlimme Fehlverhalten mancher Tierhalter zu korrigieren.
Kunden, die es öfters gar zu bunt trieben, konnten davon ausgehen, dass sie vor dem verschlossenen Tor (mit Sprechanlage), exakt die Zeit warten mussten, die sie sich unentschuldigt verspätet hatten. Mein inneres Teufelchen fragte sich: "Ist ihr / ihm denn ihre / seine Reise wichtig? Mal sehen, wann sie / er einen nächsten Termin einhält, wenn sie / er mal bei uns warten muss?" Mit der Redewendung „Wie man in den Wald hineinruft – so schallt es heraus“ konnte man mein Verhalten treffend beschreiben. Verhielt sich ein Kunde nicht wie ein König, dann wurde er auch nicht wie ein Herrscher behandelt.
Geliebte Hündin XXXX, die ich nicht mehr betreue
Es tat mir um ein Tierchen, mit unpünktlichem Eigentümer, tatsächlich sehr leid. Ich würde es wohl nie wieder sehen. Diese Begebenheit darf ich mir "von der Seele" schreiben und wechsle dazu in die Gegenwartsform:
10.04.: Ich freue mich über Email: Hündin XXXX kommt kurzfristig = bereits übermorgen. XXXX kenne ich sehr gut. Sie ist eine liebe brave Hündin, die mir persönlich sehr ans Herz gewachsen ist. Wochenlang durfte ich XXXX als Schülerin und, in weiterer Folge, als Vergabetier und nun als Hotelgast beherbergen. Sie ist super-gruppenfähig und einfach nur lieb. Sie darf neun Tage bei mir bleiben. Fein! Allerdings Ankunft außerhalb der Öffnungszeiten = Freitag nachmittags. Ich drücke "beide Augen zu" und rechne kulanzweise keine zusätzliche Gebühr. Ich wandle an diesem Tag sowieso noch im Tierbereich herum. Am Ankunftstag ziehe ich einfach gewisse andere Arbeiten vor.
11.04.: Weiteres Mail vom Besitzer zur Abholung – KOPIE: "Ob ich es am Samstag bis 10.30 schaffe, weiß ich nicht genau. Unser Flug von Tunesien geht um ca. 6 Uhr früh. Wir werden dann ca. um 8:30 Uhr beim Auto in München sein und losfahren. Denke aber, dass wir vor 11 Uhr nicht da sind. Wenn doch, dann ist es klasse - möchte aber nicht sozusagen versprechen, dass wir es bis 10.30 Uhr schaffen." Ich drücke wieder "beide Augen zu" – Abholung außerhalb der Öffnungszeiten am Samstag 10:30 – 11:30 Uhr. Naja, ich werde da sowieso noch aktiv im Tierbereich unterwegs sein. Ich werde mir auch am Abholtag meine Arbeit anders einteilen.
12.04.: XXXX kommt an. XXXX freut sich - ich freue mich! Gleich, nach Schmuserunde mit mir, ab ins große Rudel! Es ist fast so, als wäre sie nie weg gewesen. Der Tierbesitzerin gebe ich den Pensionsvertrag mit und sage noch zusätzlich eindringlich: "Kommt am Samstag bitte pünktlich zwischen 10:30 – 11:30 Uhr. SPÄTER NICHT – SONST AM NÄCHSTEN WERKTAG." Diese Sondervereinbarung halte ich auf dem Pensionsvertrag fest und haben die Eigentümer nun in Kopie auch schriftlich.
Tag der Abholung
11:30 Uhr: Das Tor ist seit über einer Stunde offen – wir zwei Tierbetreuer warten. Die sonst freilaufenden Hunde befinden sich, seit über einer Stunde, in den Gehegen und im Büro, damit Parteienverkehr möglich ist. Hündin XXXX haben wir zu zweit bereits um 10:30 Uhr aus dem Rudel geholt. Das war gar nicht so einfach, weil da acht größere, anhängliche Hunde zusammenleben. Natürlich wollen alle mit den geliebten Betreuern mit. Das eingespielte System funktioniert so: Ein Betreuer geht ins Rudel und befestigt an dem Reisenden die Leine. Der andere Tierbetreuer bleibt draußen und übernimmt durch einen Gitterspalt die Leine. Der andere Tierbetreuer hält die temperamentvolleren Hunde zurück, auf dass der Reisende Hund raus geholt werden kann.
11:50 Uhr: Die „juristische Viertelstunde“ ist um und meine Toleranzgrenze überschritten. Ich kontrolliere meine Telefonanlage und das Handy = dort ist keine Nachricht. Ich versuche den Tierbesitzer anzurufen. Es läuft die Mailbox, welche ich bespreche: "XXXX hätte heute bis spätestens 11:30 Uhr abgeholt werden sollen. Ich bin noch bis 12:00 Uhr telefonisch erreichbar." Es erfolgt keinerlei Nachricht. Sie holen XXXX wohl doch nicht ab. Ein Anruf wäre nett gewesen und hätte mir sinnlose Arbeit erspart. Alles wieder retour: XXXX zieht wieder zurück in ihre Gruppe und ich schließe das Tor. Die sonst auch immer frei laufenden Hunde, dürfen wieder über die ganze Anlage laufen. Flott koche ich das Mittagessen für die Familie. HURRA! Endlich Wochenende!
12:15 Uhr: Die Familie isst, da ich wenig Zeit zum Kochen habe, "schnelle Küche" = verspätetes karges Mittagessen. Dann folgt die Mittagsruhe. Wir haben seit ein paar Tagen ein Rudel "Alaskan Malamute" (ähnlich Husky) im Haus und diese haben sich dermaßen akklimatisiert, dass sie in der Nacht (insbesondere bei Vollmond) lautstark Zusammengehörigkeitsgefühl demonstrieren. Man freut sich einerseits darüber, dass sie sich so schön eingelebt haben. Andererseits muss man damit leben, dass viele meiner "Wölfe" mitsingen. Solche Nächte haben zur Folge, dass ich ein Mittagsschläfchen mache. Hunde und alle Menschen halten jetzt wohlverdiente "Siesta".
13:45 Uhr: Ich schlafe tief und fest. Das Telefon weckt meinen Ehemann. Es rufen unerwartet die, vor dem Tor stehenden, Besitzer von XXXX an, die meinem Mann erklären, sie wollen XXXX jetzt abholen. Es wird ihnen gesagt, ich wäre kulanzhalber ab 15:00 Uhr wieder im Tierbereich. Alle Hunde schlagen Alarm: "HUCH! FREMDE! " Mittlerweile bin ich hellwach – es hilft auch nichts, sich auf die andere Seite zu drehen. Die Tierbesitzer sind nicht noch, vernünftiger Weise, gemütlich auf einen Kaffee gegangen, sondern stehen samt Auto zu dritt wartend vor dem Tor. Meine klugen Gäste und eigenen Hunde melden die Fremden durchgehend pflichtbewusst.
14:00 Uhr: Keiner macht mehr Pause. Alle Freiläufer wieder rein – XXXX zu zweit aus der Großgruppe holen. Ein zehnminütiges anstrengendes Gespräch mit Besitzer folgt. Die Zusammenfassung dessen in Kürze:
Im Ergebnis ärgere ich mich fürchterlich. Alle Menschen und ich sind müde. Die Hunde wurden aus dem gewohnten Rhythmus gerissen. Ich fühle mich überhaupt nicht wertgeschätzt. Nimmt man mich nicht Ernst, wenn ich was sage oder schreibe? Auf die Kundenkartei kommt ein dickes „MINUS“. Ich werde "meine" liebe Hündin wohl leider nicht mehr betreuen. Die Diskussion geht hausintern weiter: Wie können wir das in Zukunft vermeiden?
Eine weitere Chronologie des Grauens:
23.09. - Anruf von Kundin in Mittagspause: „Haben Sie noch kurzfristig Platz für BELLA und SPIKE, meine zwei American Staffordshire? Sie bleiben nur einen Tag = kommen frühmorgens um 07:30 Uhr und gehen abends.“ Wir sollten ihre beiden Hunde gemeinsam halten und keinen weiteren dazu. Einer ihrer Am Staff´s wäre freundlich zu Menschen – der andere „vorsichtig“. Zusammen füttern geht nicht, manchmal streiten sie etc. - Gut, dass sie ihre Hunde offen beschreibt. Ich muss davon ausgehen, dass sich ihre beiden Hunde vielleicht doch nicht so gut miteinander "vertragen" und muss als Profi dafür Sorge tragen, dass ich sie möglicher Weise getrennt halten muss. Da ich nicht im Büro bin, bitte ich um Mail – was nachmittags kommt und ich bestätige.
24.09. - Der Tag davor: Ich richte mich auf die Neuankömmlinge ein. Ich verteile die Hunde des Rudels 4 auf die anderen Gruppen, damit dieses wesentlich ruhigere Zimmer (mit derzeit nur einem braven Nachbarn) frei ist. Das heißt: Als das "Zimmer 4" leer ist, wird desinfiziert. Mit viel Wasser und Desinfektionsmittel werden, auf 2 Meter Höhe, die Fliesen gewaschen und mit einer großen Saugmaschine die Flüssigkeit aufgesaugt. Für den Fall der Fälle folgt ein kurzer Blick in die Krankenstation. Dorthin könnte man ausweichen, sollten sich ihre beiden Hunde nicht vertragen. Sicher ist sicher. Den Pensionsvertrag und zwei Karteiblätter habe ich vorbereitet.
25.09. - Ankunftstag: Ich erwarte zwei schwierigere American Staffordshire Terrier. Die Ankunft wurde außerhalb der Öffnungszeiten, kulanzweise ohne Berechnung, vereinbart. Frühmorgens ist das ziemlich egal, da ich sowieso im Tierbereich herumschwirre. Die juristische Viertelstunde wird bei mir gerne eingehalten. Das heißt (anstelle um 08:45 Uhr) öffne ich, da der Termin um 07:30 Uhr ist) bereits um 07:15 Uhr unser großes Einfahrtstor. Da zu erwarten ist, dass es schwierigere Hunde sind, kommt mein eigener Hund FELIX in seine Box und meinen Schäfer FINA sperre ich in den Innenbereich. Die Türklappe von "Zimmer 4" ins Außengehege wird rausgezogen. Das Innenleben des Zimmers wurde am Vortag mit Deckchen und Spielsachen bestückt. Im Außengehege habe ich grade Wasser frisch in den Kübel gefüllt. Jetzt können sie kommen. Ich mache, anstelle der üblichen Säuberung, um diese ungewöhnliche Zeit schon Bürokram. Ich warte und warte und warte.
07:45 Uhr: Ich bespreche die Mailbox der Handynummer
08:00 Uhr: Ich versuche sie nochmals am Handy zu erreichen
08:15 Uhr: Ich maile der Besitzerin.
08:30 Uhr: Ich storniere.
08:45 Uhr: Alles wieder retour ! FELIX und FINA raus, Klappe rein, 2 Hunde zurück rudeln, Papierkram in "Rundeimer".
09:00 Uhr: Muss nun etwas mehr "Gas" geben, da eine Katzenaufnahme wartet.
Das endgültige Ende: Seitens der Besitzerin kommt keine Reaktion mehr. Es wäre doch nichts dabei gewesen, abzusagen? Ein Anruf oder ein Besprechen unseres Anrufbeantworters oder ein Mail? Sie kommt auf unsere interne schwarze Liste, d.h. sie möge bei uns NIE WIEDER wegen Betreuung von Haustieren anfragen.
Wir hatten während der Pandemie, entgegen unseren üblichen Geschäftsbedingungen, die Stornogebühren ausgesetzt. Die "Chronologie des Grauens" fand demnach völlig kostenfrei statt. Es machte zu Corona-Zeiten wenig Sinn, Vorauszahlungen zu verlangen. Viele Kunden buchten sehr kurzfristig – andere sagten unverhofft ab. Ich versetzte mich in die Lage meiner Kunden. Man konnte zu der Zeit Reisen schwerlich planen. Aber, wenn ein Termin vereinbart wurde, hatte ich mir erwartet: entweder die Einhaltung oder eine Absage .... irgendeine Reaktion.
Zuverlässigkeit
Gottlob gab es sehr viele wertschätzende Tierhalter, sodass diejenigen, die sich nicht an wichtige Vereinbarungen hielten, in der absoluten Minderheit waren. Wären alle Tierhalter respektlos mit Betreuern umgegangen, dann gäbe es - langfristig gesehen - in weiterer Folge vielleicht überhaupt keine pflichtgetreue pünktliche Tierpension mehr. Man erwartete von uns (zu Recht) Zuverlässigkeit - ich erwartete das (zu Recht) ebenfalls von unseren Kunden. Ich erwartete, dass mich meine Kunden genau so Wert schätzten, wie ich sie.
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