Herausforderung Uhrzeiten

„Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige“. Dieses Sprichwort geht auf einen Ausspruch des französischen Königs Ludwig XVIII. im Jahre 1820 zurück. Leider gibt es Menschen, die sich gar nicht wie Könige benehmen: Sie kommen zu spät.

 

Vom Anfang bis zum Ende meiner Tätigkeit begleitete mich das leidige Thema der Unzuverlässigkeit mancher Kunden. Ich konnte es nur ansatzweise in den Griff bekommen.

Manche Kunden waren Mal unpünktlich – riefen aber auf der Strecke an, um neuen Termin mitzuteilen. Das war für mich völlig in Ordnung und sind diese für mich nicht die wirklich Unpünktlichen. Es gab aber auch die notorischen Zu-Spät-Kommenden. Man wartete und wartete und wartete. Das nervte !  Ich versuchte sie umzupolen, in dem ich sie persönlich darauf ansprach, einige Texte zu diesem Thema in Social-Media oder auf unserer Homepage veröffentlichte. Das alles zeigte wenig Wirkung.

 

Mangelnde Wertschätzung oder Desinteresse?

 

Ich fühlte mich von unpünktlichen Menschen NICHT wertgeschätzt und ärgerte mich – manchmal nur einmalig. Es schien, egal wie man es machte, es gab Tierbesitzer, die sich NICHT an Vereinbarungen hielten. Eine Viertelstunde auf oder ab, war für mich noch OK. Das heißt, wer seinen Termin um z.B. 10 Uhr hatte und um 10:15 Uhr erschien, lag in meiner Toleranzgrenze.

 

JA:  Wir waren grundsätzlich 24 Stunden am Tag auf der Anlage. NEIN:  Wir hatten NICHT rund-um-die-Uhr Parteienverkehr, sondern wurden Termine zum Bringen und Abholen der Haustierchen schriftlich vereinbart.

 

Die "Karrierebibel" bringt es auf den Punkt: "Wiederholte Unpünktlichkeit ist kein Schicksal, sondern unverschämt, eine subtile Form von Arroganz. Denn eine Wiederholung lässt sich entweder gewollt vermeiden – oder ist eine Entscheidung." Die Aussage dahinter: "Anderes ist mir wichtiger. Und ich bin so wichtig, dass ich euch warten lassen kann. Ich muss mein Verhalten nicht euch anpassen, sondern umgekehrt."

 

Dürfen sich meine Kunden tatsächlich so benehmen?

 

War ich meinen Kunden nicht wichtig genug? Das ging so in keiner Weise - weder privat noch geschäftlich. Vielleicht lag es an meinem dominanten Charakter? Vielleicht auch daran, dass ich Hunde trainierte und schon deswegen konsequent sein musste. Vielleicht war ich in diesem Punkt auch empfindlicher als der durchschnittliche Mensch? Jedenfalls hatte ich immer die Muße, dieses Fehlverhalten der Besitzer zu korrigieren. Kunden, die es öfters gar zu bunt trieben, konnten davon ausgehen, dass sie vor dem verschlossenen Tor (mit Sprechanlage), exakt die Zeit warten mussten, die sie sich unentschuldigt verspätet hatten. Verhielt sich ein Kunde nicht wie ein König, dann wurde er auch nicht so behandelt. Mein inneres Teufelchen fragte sich: War ihr / ihm denn ihre / seine Reise wichtig? Mal sehen, wann sie / er einen nächsten Termin einhält, wenn sie / er mal bei uns warten muss? Mit der Redewendung „Wie man in den Wald hineinruft – so schallt es heraus“ konnte man mein Verhalten treffend beschreiben. Wer sich nicht königlich benahm, der wurde auch nicht wie ein Herrscher behandelt.

 

Es tut mir um ein Tierchen tatsächlich sehr leid, es wohl nie wieder zu sehen. Diese Begebenheit möchte ich mir "von der Seele" schreiben und wechsle dazu in die Gegenwartsform:

 

Geliebte Hündin XXXX, die ich nicht mehr betreue

 

10.04.:  Ich freue mich über Email: Hündin XXXX kommt kurzfristig = bereits übermorgen. XXXX kenne ich sehr gut. Liebe brave Hündin, die mir persönlich sehr ans Herz gewachsen ist. Wochenlang durfte ich XXXX als Schülerin und i. w. F. Vergabetier und Hotelgast in unserer Tierzuflucht beherbergen. Sie ist super-gruppenfähig und einfach nur lieb. Sie darf neun Tage bei mir bleiben. Fein ! Allerdings Ankunft außerhalb der Öffnungszeiten = Freitag nachmittags. Ich drücke "beide Augen zu" und rechne kulanzweise keine zusätzliche Gebühr. Ich bin sowieso da noch im Tierbereich und ziehe an dem Ankunftstag gewisse Arbeiten nach vorne.

 

11.04.:   Weiteres Mail zur Abholung – KOPIE: " Ob ich Samstag bis 10.30 schaffe, weiß ich nicht genau. Unser Flug von Tunesien geht um 6 Uhr früh. Wir werden dann ca. um 9 Uhr beim Auto in München sein und losfahren. Denke aber, dass wir vor 11 Uhr nicht da sind (Wenn doch, dann ist es klasse - möchte aber nicht sozusagen versprechen, dass wir es bis  10.30 Uhr schaffen) " Ich drücke wieder "beide Augen zu" – Abholung außerhalb der Öffnungszeiten am Samstag 10:30 – 11:30 Uhr. - Naja – ich werde da sowieso noch aktiv im Tierbereich unterwegs sein. Teile mir am Abholtag meine Arbeit anders ein.

 

12.04.: XXXX kommt ! XXXX freut sich - ich freue mich !!! Ab ins große Rudel !!! Es ist fast so, als wäre sie nie weg gewesen !!! Der Tierbesitzerin gebe ich den Pensionsvertrag mit und sage noch zusätzlich eindringlich: Am Samstag bitte pünktlich zwischen 10:30 – 11:30 Uhr.  SPÄTER NICHT – SONST AM NÄCHSTEN WERKTAG !

 

Tag der Abholung

 

11:30 Uhr: Das Tor ist seit über einer Stunde offen – wir zwei Tierbetreuer warten – die freilaufenden Hunde laufen ausschließlich in den Gehegen und im Büro, damit Parteienverkehr möglich ist. Hündin XXXX haben wir bereits aus dem Rudel geholt.

 

11:45 Uhr: Die „juristische Viertelstunde“ ist um. Ich kontrolliere Telefonanlage und Handy = keine Nachricht. Ich versuche den Tierbesitzer anzurufen. Es läuft die Mailbox, welche ich bespreche. Sie holen wohl doch nicht ab. Ein Anruf wäre nett gewesen und hätte mir eine Menge Arbeit erspart . Ich rudle XXXX wieder zurück, schließe das Tor und lasse die, sonst auch immer frei laufenden, Hunde wieder auf die Anlage laufen. Flott koche ich das Mittagessen für die Familie.

 

12:15 Uhr: Die Familie isst, da ich wenig Zeit zum Kochen hatte, "schnelle Küche" = verspätetes karges Mittagessen. Dann Mittagsruhe. Wir haben seit ein paar Tagen ein Rudel "Alaskan Malamute" (ähnlich Husky) im Haus und diese fühlen sich dermaßen wohl, dass sie in der Nacht (insbesondere bei Vollmond) lautstark Zusammengehörigkeitsgefühl demonstrieren. Man freut sich darüber, dass viele meiner "Wölfe" mitsingen. Das hat aber zur Folge, dass ich müde bin und unbedingt mittags schlafen muss. Hunde und alle Menschen halten jetzt wohlverdiente "Siesta".

 

13:45 Uhr: Ich schlafe. Das Telefon weckt meinen Ehemann. Es rufen unerwartet die, vor dem Tor stehenden, Besitzer von XXXX an, die meinem Mann erklären, sie wollen XXXX jetzt abholen. Es wird ihnen gesagt, ich wäre kulanzhalber ab 14:30 Uhr wieder im Tierbereich.  Alle Hunde schlagen Alarm:   " HUCH !   FREMDE ! " Mittlerweile bin ich hellwach – es hilft auch nichts, sich auf die andere Seite zu drehen. Die Tierbesitzer sind nicht noch, vernünftiger Weise, gemütlich auf einen Kaffee gegangen, sondern stehen samt Auto zu dritt wartend vor dem Tor. Meine klugen Gäste und eigenen Hunde melden das durchgehend pflichtbewusst.

 

14:00 Uhr:  Keiner macht mehr Pause. Alle Freiläufer wieder rein – XXXX zu zweit aus der Großgruppe holen. Etwa 10-minütiges anstrengendes Gespräch mit Besitzer …. Zusammenfassung dessen in Kürze:

  • Man hätte sich doch soeben entschuldigt
  • Man hätte eine Mail geschrieben (es kam tatsächlich um 12:15 Uhr !!! eines an) … KOPIE:  "Liebe Frau Piper Unser Flug hatte Verspätung. Wir sind am Weg Ca. 1 3/4 Stunden noch. Tut mir wirklich sehr leid. Gesendet mit der GMX Mail App"
  • Wir hätten zu viel verrechnet? Es wären anstelle 9 nur 8 Tage zu bezahlen. Sie selber hätten ein Menschenhotel und da würden nur die Nächte gerechnet. Bei ihnen sei der Kunde „König“. Sie würden bei sich rund-um-die-Uhr offen haben.
  • Man wäre nicht bereit die geforderten EURO 50,00 für außerhalb der Sa/So/Ft-Öffnungszeiten zu bezahlen.
  • Als Tüpfelchen auf dem „I“ droht die Besitzerin auch noch mit einer schlechten Bewertung 

Im Ergebnis ärgere ich mich fürchterlich - bin müde (alle anderen Menschen auch) - die Hunde wurden aus dem gewohnten Rhythmus gerissen - und - fühle mich überhaupt nicht wertgeschätzt. Nimmt man mich nicht Ernst, wenn ich was sage oder schreibe? Auf die Kundenkartei kommt ein dickes „MINUS“. Ich werde "meine" liebe Hündin wohl leider nicht mehr betreuen. Die Diskussion geht hausintern weiter: Wie können wir das in Zukunft vermeiden?

  • Hätte ich bei der Korrespondenz noch exakter darauf hinweisen müssen?
  • Hätte ich bei der Ankunft das noch deutlicher sagen sollen?
  • Hätte ich die Preise für außerhalb der Zeiten noch höher ansetzen sollen?
  • Hätte ein zusätzliches scharfes Formular Sinn?
  • Hätte ich das Tor, völlig entgegen meiner Natur, zulassen sollen?
  • Hätte ich das Telefon, völlig entgegen meiner Natur, einfach läuten lassen sollen?
  • Sollen wir außerhalb der Öffnungszeiten Parteienverkehr anbieten?

 

Eine andere Chronologie des Grauens:

 

23.09. - Anruf von Kundin in Mittagspause: „Haben Sie noch kurzfristig Platz für BELLA und SPIKE, meine zwei American Staffordshire? Sie bleiben nur einen Tag  = kommen frühmorgens um 07:30 Uhr und gehen abends.“ Wir sollten ihre beiden Hunde gemeinsam halten und keinen weiteren dazu. Einer ihrer Am Staff´s wäre freundlich zu Menschen – der andere „vorsichtig“. Zusammen füttern geht nicht, manchmal streiten sie etc. - Gut, dass sie ihre Hunde offen beschreibt. Ich muss davon ausgehen, dass sich ihre beiden Hunde vielleicht doch nicht so gut miteinander "vertragen" und muss als Profi dafür Sorge tragen, dass ich sie möglicher Weise getrennt halten muss. Da ich nicht im Büro bin, bitte ich um Mail – was nachmittags kommt und ich bestätige.

 

24.09. - Der Tag davor: Ich richte mich auf die Neuankömmlinge ein. Ich verteile die Hunde des Rudels 4 auf die anderen Gruppen, damit dieses wesentlich ruhigere Zimmer (mit derzeit nur einem braven Nachbarn) frei ist. Das heißt – als das "4-er-Rudel" leer ist, wie grundsätzlich immer – Desinfekt (= viel Wasser - Maschine - Trocknung). Für den Fall der Fälle kurzer Blick über die Krankenstation, damit dorthin ausgewichen werden könnte, sollten sich ihre beiden nicht vertragen. Ich kenne die Hunde überhaupt nicht. Sicher ist sicher. Unterlagen werden vorbereitet.

 

25.09. - Ankunftstag: Ich erwarte zwei schwierigere American Staffordshire Terrier. Ankunft außerhalb der Öffnungszeiten – kulanzweise ohne Berechnung. Frühmorgens ist das ziemlich egal – da ich sowieso im Tierbereich herumschwirre. Die juristische Viertelstunde wird bei mir fast immer eingehalten. Das heißt (anstelle um 08:45 Uhr) öffne ich, da der Termin um 07:30 Uhr ist) bereits um 07:15 Uhr unser großes Einfahrtstor. Da zu erwarten ist, dass es schwierigere Hunde sind kommt mein FELIX in seine Box – mein Schäferchen FINA sperre ich in den Innenbereich – Klappe von Rudel 4 ins Außengehege wird rausgezogen. Deckchen – Außengehege ist schon seit gestern gerichtet …. Wasserchen frisch gemacht .... und ich warte bzw. mache, anstelle der üblichen Säuberung, um diese ungewöhnliche Zeit schon Bürokram.

 

07:45 Uhr:  Ich bespreche die Mailbox der Handynummer

08:00 Uhr:  Ich versuche sie nochmals am Handy zu erreichen

08:15 Uhr:  Ich maile der Besitzerin.

08:30 Uhr:  Ich storniere.

08:45 Uhr:  Alles wieder retour ! FELIX und FINA raus, Klappe rein, 2 Hunde zurück rudeln, Papierkram in  "Rundeimer".

09:00 Uhr:  Muss nun etwas mehr "Gas" geben, da eine Katzenaufnahme wartet.

 

Das endgültige Ende: Seitens der Besitzerin kommt keine Reaktion mehr. Es wäre doch nichts dabei gewesen, abzusagen? Ein Anruf oder ein Besprechen unseres Anrufbeantworters oder ein Mail? Sie kommt auf unsere interne schwarze Liste, d.h. sie möge bei uns NIE WIEDER wegen Betreuung von Haustieren anfragen.  

 

Wir hatten während der Pandemie, entgegen unseren üblichen Geschäftsbedingungen, die Stornogebühren ausgesetzt. Die "Chronologie des Grauens" fand demnach völlig kostenfrei statt. Es machte wenig Sinn, solche Beträge einzuheben. Viele Kunden buchten sehr kurzfristig – andere sagten unverhofft ab. Ich versetzte mich auch in die Lage meiner Gäste – man konnte zu der Zeit Reisen schwerlich planen. Aber, wenn ein Termin vereinbart wurde, hatte ich mir dessen Einhaltung hätte ich mir trotzdem erwartet.

 

Zuverlässigkeit kann man erwarten

 

Gottlob gibt es sehr viele wertschätzende Tierhalter, sodass diejenigen, die sich nicht an wichtige Vereinbarungen halten, in der absoluten Minderheit sind. Würden alle Tierhalter so respektlos mit Betreuern umgehen, dann gäbe es - langfristig gesehen - in weiterer Folge vielleicht überhaupt keine pflichtgetreue pünktliche Salzburger Tierpension mehr. Man erwartete von uns (zu Recht) Zuverlässigkeit - ich erwartete das (zu Recht) ebenfalls von unseren Kunden. Ich erwartete, dass mich meine Kunden genau so Wert schätzten, wie ich sie.

 

Linda Ann Pieper