Erholsame Zeiten

Obwohl es nicht gesetzlich vorgeschrieben war, befand sich auf meiner Anlage Rund-um-die-Uhr mindestens ein qualifizierter Tierbetreuer. Meistens waren wir zu zweit, manchmal auch mehrere. Das war 365 Tage im Jahr (Tag und Nacht) der Fall und somit natürlich auch an Sonn- und Feiertagen. Bei der Betreuung der Gäste war ich mir dessen bewusst, dass ich eine immense Verantwortung für Familienmitglieder anderer Familien übernommen hatte. Es wäre schlimm, würde ein Unfall passieren. Meine Gäste allein lassen, kam für mich überhaupt nicht in Frage.

Grundsätzlich fuhr ich nur einmal im Jahr, für eine Woche in der Vor- oder Nachsaison, auf Urlaub. Ich war, nach meiner Scheidung, absolute Alleinerzieherin. Als meine Kinder noch jünger waren, wurde ich von mehreren eingespielten Angestellten vertreten – später von meinen erwachsenen Kindern. Mein Betrieb wurde im Laufe der Jahre zum reinen Familienbetrieb, da die besten Tierbetreuer meine Kinder waren. Sie waren in dem Betrieb aufgewachsen, konnten gut mit Tieren umgehen und kannten den betrieblichen Ablauf. Wenn ich zu einem meiner Kinder sagte: „Bitte, geh doch ins Rudel drei und fülle Wasser nach“, musste ich mir keinerlei Gedanken machen, dass diese sich dort falsch bewegten. Sie konnten das intuitiv. Fremde Mitarbeiter hatte ich oft beim Arbeiten beobachten müssen – meine Kinder nicht. 

 

Überwachungs-Kameras aus der Ferne

 

Es lag mir völlig fern, negativ über andere Einrichtungen zu schreiben. Wertneutral musste ich hin und wieder im Netz privat meine Gedanken aber loswerden. Vielleicht täuschte ich mich ja auch oder war in diesem Bereich eine zu arge "Glucke"? Ich "gluckte" schon als Mutter und "gluckte" ebenfalls bei meinen vierbeinigen Hausgästen.

 

Mitbewerber, welche ihre Urlaubsgäste nur tagsüber betreuten und nachts alleine ließen, konnte ich überhaupt nicht verstehen. Das private Zuhause von den Betreibern lag einige Kilometer von der Betreuungsstätte entfernt und sie gaben an, dass im Tiertrakt Überwachsungskameras montiert wären. Das würde reichen, Arbeitsbeginn: 07:00 Uhr – Arbeitsende 19:00 Uhr. Ab dann war kein Mensch mehr auf deren Anlagen. Wie sollte denn das funktionieren ? Was, wenn ein Notfall eintrat oder sich Hunde stritten? Aus meiner Erfahrung wusste ich: Wenn man im Tiertrakt einschreiten musste, dann sofort (!). Ich hätte meine vierbeinigen Gäste nicht allein gelassen - in keinem Fall. 

 

Generell war ich ein sehr häuslicher Typ und verreiste selten. Wofür auch? Hauptsächlich buchte ich Urlaube wegen meinen drei Kindern, die einen Riesenspaß an unseren Reisen hatten. Auch ich hatte natürlich Freude, mal viel Zeit für sie zu haben, andere Länder zu erkunden, im Pool zu plantschen, andersartiges zu Essen und es sich einfach mal gut gehen zu lassen. Jedes Jahr wurden, in unserer kleinen familiären Demokratie, von mir acht (leistbare) Domizile vorgeschlagen. Jeder durfte drei Stimmen abgeben und jede Stimme zählte gleich. Bei Gleichstand kam es zur Stichwahl. Das Hotel mit den meisten Stimmen "gewann" und dort flogen/fuhren wir dann hin. Ein Mal im Jahr musste einfach sein und wir vier freuten uns auf unsere Urlaube. Zurück kam ich dann aber auch wieder gerne. Ich fühlte mich Zuhause wohl - es war so schön auf meiner Anlage.

 

War ich Zuhause übernahm ich sofort wieder die Verantwortung. Vielleicht ist es auch eine (übertriebene?) charakterliche Eigenschaft von mir, zu sehr zu behüten. Das "zu sehr" ist relativ und sieht jeder anders. Was ist schon "zu sehr" ? Der eine empfindet mittleres vielleicht als zu wenig und der andere übermäßiges als normal. Als Mutter hatte ich erst sehr spät meine eigenen Kinder auch mal abends "allein" zu Hause gelassen. Mein Vater war gestorben und ich sah mich, als streng erzogene folgsame Tochter, gezwungen, ein Theater-Abo zu übernehmen, um meine unglückliche Mutter zu begleiten. Oft sprang ich unter Zeitdruck direkt von den Gummistiefeln in Pumps und erlebte solche ermüdenden Abo-Abende bestimmt anders als die meisten Opern- oder Operettenfans. Als ich meine Kinder alleine lassen musste, war aber mein ältester Sohn mit seinen 17 Jahren, schon fast erwachsen und somit befanden sich die jüngeren (7 und 9  Jahre) in guter Babysitter-Betreuung.

 

Eine Tierpension ist ein besonderes Unternehmen

 

Es war etwas anderes, wenn man als Unternehmerin irgendwelche Gegenstände in einem Kaufladen verkaufte. Manches hatte ein Ablaufdatum, welches man beachten musste. Gewährleistung und Garantie waren gesetzlich geregelt und wenn z.B. mal eine Butter ablief oder ein Kleidungsstil unmodern wurde, dann war es unternehmerisch kein großes Thema, diesen Verlust zu ersetzen. Bei Tierbetreuung verhielt es sich völlig anders und auch der Umgang mit den Kunden ein ganz anderer. Vertrauen spielte eine sehr große Rolle. Ich betreute geliebte Familienmitglieder, dessen Wert unschätzbar war.

 

Wären mir hier Fehler passiert, dann hätte man diese nicht so einfach „ersetzen“ können. Auch hätte mich ein Unglück selbst seelisch sehr belastet. Wenn ich bei Ankunft meine Urlaubsvertretungen befragte, meinten diese auch: "Das Schwierigste ist gar nicht die viele Arbeit, sondern ist die Verantwortung, die man übernimmt." Alle atmeten immer auf, wenn ich wieder da war und sie ihre "Flügel" wieder hängen lassen konnten.  

 

Privatleben in einem Betrieb

 

Aus Sicht des Kunden wäre das natürlich toll gewesen, wenn ein Betrieb immer geöffnet hätte. Man könnte terminlos kommen und gehen wann man wollte. Tierbetreuer hatten aber auch ein privates Leben. Während einer Hitzewelle hatte ich einen aufblasbaren 2-Meter-Pool auf die Terrasse im Obergeschoss gestellt, wo ich mich, im Bikini bekleidet, gerne abkühlte. Ich freute mich auf freie Tage. Natürlich wurden erst frühmorgens alle Tierchen versorgt, aber dann hatte ich Freizeit: Mal keine Arbeitskleidung tragen, ein gutes Buch lesen oder Musik hören. Manchmal trainierte ich auch einen Hund, prägte Welpen oder spielte einfach mal mit allen. Von der Terrasse aus, hatte ich einen kompletten Überblick auf meine Rudel, welche bei Hitze meistens drinnen dösten. Oft hörte man stundenlang keinen Mucks.

 

Es war für mich schwer zu unterscheiden, was Freizeit war und was Job, da Hunde mein Hobby waren. Alles was mit Kunden-Korrespondenz, Kunden-Telefonaten, Kunden-Besuchern, Steuerberater, Umsatz u.v.m. zu tun hatte, war ganz sicher Arbeit.  Diese entfiel an freien Tagen und waren erholsame Zeiten.  

 

Nach der Pandemie

 

Die Kontakt-Beschränkungen während der Corona-Krise hatten auch positive Effekte. Der Hausverstand war gefragt und man hatte die einen oder anderen Leistungen kritisch hinterfragt. Zeitaufwändige Besichtigungen unserer Anlage, die während der Kontakt-Beschränkungen nicht mehr stattfanden, hatten zum Umdenken animiert. Wozu boten wir diesen Service überhaupt an? Meine Tierpension war sehr gut besucht, mehr als ausreichend im Internet bebildert und auf Facebook wurden nahezu täglich neue Eindrücke gepostet. Daher teilte ich etwaigen Neukunden mit (KOPIE):

 

„Besichtigungen - Wozu? Neben der vielbebilderten Homepage und dem Hotel-Facebook-Account, kann man sich auch von mir, als Inhaberin im Facebook unter "Linda Ann Pieper", ein Bild machen. Daneben existieren zwei Video-Kanäle im YouTube. Weiters gibt es über 200 Rezessionen bei Google, die zur Entscheidungsfindung beitragen können . Die Anlage ist, von der öffentlichen Straße gut einsehbar: Jeder kann zu jeder Zeit vorbeifahren und es sich von außen  in Natura  ansehen.

 

Grundsätzlich findet einmal im Jahr (Spätherbst) unser „Tag der offenen Tür“ statt. Das ist eine gute Gelegenheit, das Hotel zu besichtigen und Fragen zu stellen. Dieser Tag wird auf der Hotel-Website, auf Social-Media-Kanälen sowie in lokalen Zeitungen angekündigt. Sie haben die Möglichkeit, unsere Zimmer und Außenanlagen zu besichtigen. Unser freundliches Team steht Ihnen zur Verfügung, um Ihnen das Hotel zu zeigen und alle Ihre Fragen zu beantworten. Darüber hinaus können Sie an unserer Verlosung teilnehmen und nette Preise gewinnen. Nutzen Sie diese Gelegenheit, unser Hotel kennenzulernen und erleben Sie, was uns von anderen Hotels unterscheidet. Mehr Transparenz geht (fast) nicht mehr .

 

Selbstverständlich kann man bei Ankunft und Abholung sehen, wohin das Tierchen kommt bzw. gelebt hat und ggf. mit den Tierbetreuern vor Ort sprechen. Jedoch: Das „In-Die-Gruppe-Integrieren“ machen wir, weder bei Katze noch bei Hund, im Beisein der Besitzer, da die Tierhalter eine oft "unruhige" Energie haben. Auch wird grundsätzlich jedes Tier, vor Kontakt mit Artgenossen, von den Tierbetreuern durchgecheckt (Augen / Ohren / Zähne / Fell / Verhalten etc.).

 

Ein weiterer Aspekt spricht für das Auslaufen dieser Leistung: Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit dem Klimaschutz. Wozu unnötige Wege machen und Co2 verschwenden? Schaut man sich vor seinem Urlaub die gebuchte Unterkunft vorher an? NEIN! Auch hier verlässt man sich auf das Bildmaterial, welches im Internet oder anderswo ausliegt und liest die Bewertungen. Was darüber hinaus zu klären ist, erledigt man mittels Telefonat oder/und E-Mail. Spezielle Hausführungen finden i.d.R. auch in menschlichen Hotels nicht im Vorfeld statt.

 

Meine Tierpension existiert nunmehr seit über 25 Jahren und es wurden in dieser Zeit mehrere tausend Hunde und Katzen betreut. Man kann darauf vertrauen: Ich verstehen etwas von meinem geliebten Beruf. Daher werde ich es auch künftig so handhaben, dass grundsätzlich keine einzelnen Hausführungen stattfinden, außer ich möchte, dass mir ein potenzieller Gast vorgestellt wird. Besichtigungen betreffen nur schwierige Hunde, um eine etwaige Unterbringung richtig einschätzen zu können. Das wird dem Interessenten natürlich mitgeteilt und ein exklusiver Termin mitsamt Hund vereinbart.

 

Vielen Dank für Ihr Verständnis.

Linda Ann Pieper, Inhaberin“

 

Naturgemäß kam es zu Diskussionen, denen ich offen (mit entsprechenden Lach-, Herz- und Nachdenksymbolen) antwortete - Auszug aus meinem Facebook-Account:

 

„Ich frage mich: WARUM werden Tierpensionen sooooooo gern im Vorfeld besichtigt …. Menschenhotels aber nicht. Das ginge bei den meisten Hotels auch gar nicht, weil man extra Mitarbeiter abstellen müsste …. Das ist auch nicht üblich. Ich selbst habe mir noch nie vorher eine Urlaubsunterkunft angesehen …. Irgendwo verstehe ich es ja schon …. Ist doch eine Tierpension für Tierfreunde viel netter und hübscher und lebendiger und niedlicher etc. ….. man geht ja auch gerne Mal in den Zoo …. !

 

Aus/Für der/die Praxis: Ich habe meinen Homepage-Text etwas überarbeitet. Das, was hier (noch?) nicht steht ist, dass viele der Besichtigungstermine EXTREM zeitaufwändig waren. „Höfliche“ Termine zu je zwei Stunden waren keine Seltenheit.

 

Es ist nicht damit getan, dass Besucher kommt und sich das Haus einfach 10 Minuten ansieht. Wenn wir einen Termin haben, werden ca. 30 Minuten vorher alle „Freiläufer“ reingeholt ….  Das Tor wird 15 Minuten vor Termin geöffnet …. Natürlich plant man keine speziellen Arbeiten, wo man schwer unterbrechen kann (z. B. Scheren) …. Ich bleibe in Nähe des Telefons ….. Pünktlichkeit ist auch hier eine ständige Herausforderung. Manchen Besuchern gefiel es dann dermaßen gut, dass sie augenscheinlich gar nicht mehr weg wollten. Manche nutzten die Besichtigung als gut eingezäunte Freilaufzone, wo ihr Hund endlich mal lange leinenlos laufen konnte. Man erfuhr letztendlich dann – nicht nur die ganze Lebensgeschichte des potenziellen Hotelgastes – sondern auch die des/der früheren Hunde/e und der Besitzer (oft bebildert mit Handyfotos).

 

Derzeitige Lage: Wenn ich mir vorstelle, jeder potenzielle Gast würde vorher mal auf einen „Schnack“ vorbeikommen, bräuchte ich tatsächlich jetzt eine eigene Ganztageskraft – nur für Besucher. Es sind dieses Jahr wirklich viele Reservierungen.“

 

Sonntage und Feiertage

 

Da ich nun bereits Veränderungen vornahm, konnte ich auch den mühsamen Parteienverkehr an Sonn- und Feiertagen ändern. Seit über 25 Jahren hatte mein Betrieb immer 365 Tage im Jahr geöffnet. Wir hatten auch niemals Betriebsurlaub. Vermehrt wurden von meinen Kunden die Vereinbarungen an Wochenenden / Feiertagen ausgereizt oder nicht eingehalten. Nachdem ich über zwei Monate (!) keinen einzigen Tag mehr frei hatte, hatte ich beschlossen, an Sonn- und Feiertagen komplett geschlossen zu halten.  

 

Text von 2019 (das war vor der Änderung) - KOPIE:  "Wir bitten um Verständnis, dass wir uns an Sonn- und Feiertagen  exakt an unsere Öffnungszeiten (09:00 - 10:30 Uhr) halten und danach/davor grundsätzlich KEINEN Parteienverkehr anbieten. In absoluten Notfällen kann man gegen Aufpreis ein einstündiges Zeitfenster zum Bringen oder Holen seines Tierchens vereinbaren. Während unserer Öffnungszeiten sind zwei qualifizierte Mitarbeiter auf der Anlage. Das hat sich gut bewährt und ist sehr wichtig. Auch liebe ich Pünktlichkeit und bin selbst sehr zuverlässig. Wenn absehbar ist, dass ich einen Termin nicht einhalten kann (und wenn es auch nur fünf Minuten sind) dann teile ich das mit kurzem Anruf mit. So einen wertgeschätzten Umgang wünsche ich mir von allen Menschen, die mit mir umgehen."

 

Zum besseren Verständnis stelle ich hier eine Begebenheit in der Gegenwartsform dar. Diese Geschichte steht für viele dieser Art:

 

HURRA! SONNTAG! 

 

Endlich Wochenende! Für meine Familie ist heute ein gemütlicher Tag zum Ausspannen. Man kann Dinge erledigen, zu denen man sonst schwer kommt - sich mit einer Freundin treffen -  Freunde einladen - mal einen Hund trainieren - einfach ein nettes Buch lesen – oder faul in der Sonne liegen. Wenn man ganzjährig geöffnet hat, braucht man wenigstens diese Mittage/Nachmittage zum privaten Ausruhen. Morgens wird immer gearbeitet - bis 09:00 Uhr sind die Tierchen zufriedengestellt und ist der Tierbereich perfekt sauber. Grundsätzlich ist dann nur noch am späteren Nachmittag und Abend ein Kurzbesuch notwendig. Das wird natürlich auch beibehalten, sobald die geänderten Öffnungszeiten in Kraft treten.

 

Nun galten bislang diese Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag: 09:00 – 10:30 Uhr und 15:00 – 16:30 Uhr, Freitag, Samstag, Sonntag, Feiertag:   09:00 – 10:30 Uhr

 

Drei Hunde werden – heute am SONNTAG – abgeholt. Gottlob, nichts außerhalb der Öffnungszeiten! Einer davon ist ein schwieriger großer Rüde, der auf unserer Anlage bislang leider nur mir vertraut. Alle anderen Betreuer können ihn nicht anfassen.

 

10:30 Uhr:  Alle sind abgeholt – nur der schwierige Rüde noch nicht. Ich sehe im Betreuungsvertrag nach. Da steht eindeutig: Abholung 09:00 - 10:30 Uhr. Um 11:00 Uhr habe ich privaten Termin mit 15 Min. Anfahrtszeit. Umziehen muss ich mich auch noch - das Kleid und Schuhe habe ich mir schon im Vorhaus zurecht gelegt. Es wird knapp werden, wenn Besitzer jetzt nicht bald kommt. Mist ! Ich kann es drehen und wenden wie ich will - jemand anderes kann diesen Hund nicht gefahrlos ausgeben.

 

10:45 Uhr:  Ich warte. Ich schaue auf mein Handy und die Telefonanlage ob eine Nachricht einging. Nichts. Ich versuche den Besitzer telefonisch zu erreichen. Es läuft nur die Mobilbox. Verflixt! Ich bespreche freundlich dessen Anrufbeantworter und bitte um Rückruf. Dass hier nur Englisch gesprochen wird, ist für mich keine Herausforderung.

 

10:50 Uhr:  Ich warte. Ich rufe bei meinem privaten Termin an. Ich teile mit, dass ich mich wohl verspäte. Ein anderer Tierbetreuer kann den großen Rüden nicht ausgeben, da er alle anderen anknurrt und nur mich akzeptiert. Meine Freundin hat Verständnis.

 

11:15 Uhr:  Ich warte. Ich versuche nochmals den Besitzer zu erreichen. Wieder nur die Mailbox. Ich sage, schweren Herzens, meinen Termin komplett ab und begebe mich unvorbereitet in die Küche zum Kochen.

 

11:30 Uhr:  Ich schließe das Einfahrtstor, lasse wieder alle (ebenfalls seit über einer Stunde wartenden) Freiläufer raus. Den schwierigeren nicht-abgeholten Rüden integriere ich ebenfalls wieder in seine Gruppe. Weiter zurück zu den Töpfen. Wer weiß, ob oder wann Besitzer heute kommt? Kommt der Hundehalter denn überhaupt noch heute oder hatte er vielleicht einen Unfall oder hat sich sein Flug verspätet?

 

12:00 Uhr:  Mittagessen mit anschließender wohlverdienter Mittagsruhe 

 

13:15 Uhr: Ich habe mich hingelegt um ein Mittagsschläfchen zu halten. Es läutet Sturm. Hundebesitzer erscheint, um seinen Hund zu holen. Entgegen meiner internen Hausordnung, bin jetzt nur ich alleine als "qualifizierte" Betreuerin anwesend (der Rest macht weiterhin Pause). Meine Hunde melden gesammelt, dass da ein „Fremder“ kommt und alle pausierenden Menschen sind nun wach. Grummelnd, etwas verschlafen – das ganze Spiel von vorne:  Freiläufer rein / Einfahrtstor öffnen / Rüde ausrudeln / Rüde an Leine zu Besitzer / Zubehör retour / Abholbestätigung etc. 

  

Kein Wort der Entschuldigung

 

Wir sprechen Englisch. Es wäre ein Stau auf Autobahn gewesen. Ich teile dem Besitzer mit, er hätte wenigstens anrufen können - ich hatte meinen privaten Termin absagen müssen. Besitzer meint lapidar: "Something like that can happen." (übersetzt: Sowas könne mal passieren.) Keine Entschuldigung – gar nichts. Inzwischen hatten sich noch drei andere, wirklich kräftige, dunkel gekleidete Männer drohend dazu gesellt. Ich muss zugeben, mich vor denen etwas gefürchtet zu haben. Tief durchatmen und professionell meinen Job machen! Ich lasse mich nicht bedrohen - mit sowas kommt er bei mir nicht durch. Ich bin sauer und teile dem Besitzer mit, dass € 50,00 für den Termin außerhalb Öffnungszeiten am Sonntag jetzt bar zu zahlen sind. Er meint: "WAS? Das kostet einen so hohem Aufpreis?" Alle vier bulligen Männer treten näher und sehen mich immer böser an. Ich ersuche die drei "Bodyguards", mein Haus zu verlassen. Gottlob, sie gehen vor die Tür. 

 

Nun noch erklärende Diskussion mit Besitzer, der der Meinung ist – das wäre aber für das "wenige" zu Spätkommen zu teuer. Er warf letztendlich den € 50,00-Schein wütend auf den Tisch und verabschiedete sich mit den Worten: "Remember the day your business goes down." (übersetzt: Das ist der Tag, an dem dein Betrieb untergeht). Ich lächle innerlich, denn solch ein Verhalten ist ein Zeichen mangelnder Kommunikationsqualitäten. Er ist mir verbal unterlegen, obwohl ich seine Muttersprache (Englisch) spreche. 

 

In der Zwischenzeit ist es 14:15 Uhr und ich kann mir von den anderen Menschen des Hauses das Gejammer anhören. Keiner konnte ruhen und auch keiner wird jetzt noch eine Pause machen. SUPER-SONNTAG!  Aufgrund der vielen Warterei fühle ich mich nicht „wertgeschätzt“ , das 50-Euro-Gespräch nervte und Mitbewohner sind stinkig. Ich frage ich mich nun allen Ernstes, ob ich weiterhin meine Freizeit so verbringen möchte. Die Krönung des Ganzen ist, dass der Ex(!)-Kunde noch eine unwahre schlechte Bewertung im Internet hinterlässt.

 

Es musste sich etwas ändern

 

Auf der einen Seite taten mir die vielen pünktlichen verständnisvollen Leute leid, die sich immer an die Öffnungszeiten hielten – auf der anderen Seite:  Es war jeder zweite Feiertag oder Sonntag jemand dabei, der sich nicht an meine Regeln hielt. Meine Familie lebte hier und wollte auch irgendwann mal freie Zeit haben - und wenn es nur zum Sonnen auf der Terrasse mit Buch und einem feinen Kaltgetränk.

 

Der Aufpreis von EURO 50,00 (brutto) = EURO 41,67 (netto), den wir für das Bringen oder Abholen außerhalb der Öffnungszeiten an Sonn- oder Feiertagen berechneten, reichte nicht aus, um die üblichen Wartezeiten angemessen zu bezahlen. Geschweige denn, zwei Mitarbeiter (inklusive deren Fahrtkosten) damit zu beauftragen. Diese würden das bestimmt auch nicht langfristig machen wollen. Man konnte von niemandem erwarten, sich niemals etwas Privates vorzunehmen. Ein vollautomatischer Roboter wäre eine Überlegung. Jedoch würde dieser meine geliebte Berufung nie annähernd erfüllen können.

 

Deswegen gab es bei mir überhaupt keine Abholung an Sonn- und Feiertagen mehr - absolut keine - auch nicht in Ausnahmefällen. Lieber verzichtete ich auf den Job.